Marokko Herbst 2013

 

Auch dieses Mal wollen wir nicht das moderne Marokko – nicht die quirligen Städte – nicht die riesigen Reklametafeln – nicht die verstopften Strassen und Gassen - nicht die qualmenden Lastwagen - nicht die langweiligen Autobahnen -  nicht die grossen Touristenbunker - erleben. Wir wollen weg von den Dunstglocken der grossen Städte.Wir wollen hinaus in die Natur, in die Abgeschiedenheit, in die karge Bergwelt, in die mal engen und schroffen mal breiten und grünen Täler, in die riesigen staubigen Wadis, in den Sand, in die herrlichen Dünen, in die Weite der Wüste Sahara …

Ja, das ist in Marokko noch möglich. Es gibt Tage, da sehen wir kein einziges Fahrzeug.  Marokko das Land mit den schier unbegrenzten Möglichkeiten. Das Land ist derart abwechslungsreich wie nirgendwo sonst in Nordafrika. Die Menschen in den Berg- und Wüstenregionen sind fleissig, nett und überhaupt nicht aufdringlich. Das war früher anders.

Wir fahren nun schon das 6. Mal nach Marokko und wir haben noch längst nicht alles gesehen. Ständig entdecken wir neue Wege, Pisten und Strassen oder  völlig unbekannte kleine Dörfchen oder Ansiedlungen, die auf keiner Karte zu finden sind. Bis weit über 2000 m über Meer wird Acker- und Obstbau betrieben, wird der Boden gepflügt, gesät, geerntet und Holz für das Feuer gesammelt. Ein ganz ganz fleissiges Völklein. Wir haben grosse Achtung vor diesen einfachen Bauern, die in der Abgeschiedenheit ein überaus hartes Leben führen und doch glücklich und zufrieden sind. Und das freut uns für sie. Und wir hoffen, dass dies so bleibt.

Mittelmeer
Das überaus milde Herbstwetter lockt uns zuerst ans Meer. Bei einem Schwumm im glasklaren Wasser des Mittelmeeres erholen wir uns von den Strapazen der zweitägigen Schifffahrt. Doch der Geist will nicht ruhen und es zieht uns weiter. Der weite Süden mit seinen wunderschönen Wüstengebieten wie Erg Chebbi, Erg Chegagga, Erg Znigue, Erg Jahoudi, diverse kleinere Dünengebiete ohne Namen, die weissen Dünen am Meer und die vielen anderen, ganz unterschiedlichen Gesichter, die die Sahara zu bieten hat, sind unser Ziel.

Hinunter in den Süden
Für die Anfahrt nach Merzouga haben wir neue, verlockende Wege und Pisten ausgewählt. Wir sind gespannt.

Die Zwiebeln auf den Feldern sind geerntet. Nun werden sie im Freien auf langen Steinhaufen aufgeschichtet und mit Stroh und Plane zugedeckt. Das ist ökologisch sinnvoll, erspart es doch die teuren und energiefressenden Kühlhäuser.

In den Olivenhainen stehen die Olivenbäume und voller Reife da, schwer behangen mit grossen reifen Oliven – sie sind als nächstes dran. Doch vorderhand dienen sie uns noch als Schattenspender und Oase der Ruhe. Ein idealer Ort für ein Picknick und ein kurzes Nickerchen. Doch der Weg ist noch weit, da steht uns noch ein Gebirge im Weg.

Mittlerer Atlas
Die Nacht verbringen wir im Gebirge. Einige Hirten-Hunde finden dies keine gute Idee und sie wollen uns vertreiben. Doch mit gutem Zureden und einigen Häppchen hartem Brot, werden sie bald unsere Freunde. Sie bewachen uns die ganze Nacht und ihr Anführer begutachtet mit wachem Blick (und feuchten Augen) unseren Frühstückstisch. Dann – für Marokko typisch - die grosse Ueberraschung: Ein einfacher Schaf-Hirte kommt auf uns zu. In der Hand ein Tablett. Darauf stehen fein säuberlich eine Kanne mit heissem Tee, frisch gebackenes Fladenbrot und ein Schälchen mit Olivenöl. Oh, das schmeckt. Wir revanchieren uns mit Joghurt, Schokolade (Schweizer Schokolade) und Mandarinen.  Die Freude ist gross – auf beiden Seiten. 

 

Auf einem schmalen Pistchen gelangen wir in ein Dorf mit ca. 20 Hütten. Er ist gerade Markt und von weit her sind die Bauern mit ihren Eseln und Maultieren angereist. So eine Reise auf den Markt kann gut und gerne 20, 30 oder mehr km lang sein.

Die Piste wird schlechter. Wir befinden uns mittlerweile auf mehr als 2000 müM. Holzarbeiter sind unterwegs. Mit ihren alten Bedford karren sie riesige Stämme ins Tal hinunter. Es sind vorwiegend Zedern die geschlagen werden. Riesige, uralte Zedern sind es. Viele dicke Stämme mit 2 und mehr Metern Durchmesser liegen im Wald. Teilweise verrotten sie, da sie zu gross und zu schwer sind, um aufgeladen zu werden. Das tut weh. Glücklicherweise können sie die ganz grossen Bäume aber auch nicht fällen, da die Schwerter ihrer Kettensägen zu kurz sind. Heute treffen wir hier einen einzigen LKW. Weiter im Norden wird es vermutlich wimmeln von Touristen, welche sich auf den Touristenpfaden durch den Wald schlagen und sich an der abgestorbenen mässig grossen Zeder oder an den dicken, überfütterten Berberaffen erfreuen.

In Ouaouizarth ist gerade die Schule aus. Massen von Kindern verstopfen die Strassen. Der Ort ist vorbildlich sauber und hat einen vornehmen Touch. Die jungen Frauen hier tragen kein Kopftuch und sind in modernen verwaschenen Röhrli-Jeans unterwegs. Aus-Bildung ist das eine – und was danach? Im Tagebuch steht dazu vermerkt:  Wie kann der Geist geweckt je wieder die Kargheit  des Lebens ertragen! ?

Bald darauf gelangen wir an den Stausee Bin el Ouidane. Tiefblau liegt uns der See zu Füssen, eingebettet in die roten Felsen und mittendrinn die bunten Inseln im Herbstgewand.

Im nächsten Dorf ist Markt. Es gibt fast kein Durchkommen. Menschen, Esel, Ziegen, Schafe und Marktstände verstopfen den Weg. Für 100 Meter benötigen wir 10 Minuten.

Wer seine Einkäufe erledigt hat und keinen Esel besitzt, der setzt sich in oder auf eines der Taxis, vorwiegend alte Landrover und Mercedesbusse. Sie sind meistens völlig überbesetzt. Aber das Mitfahren, eingepfercht wie die Sardinen oder auf dem luftigen Dach, ist wohl immer noch besser als zu Fuss nach Hause zu gelangen!

 

Cathedrale des Roches
Unser nächstes Ziel ist die Cathedrale des Roches. Wir übernachten direkt gegenüber des mächtigen Felsen in einem lichten Föhrenwäldchen. Im Schein der untergehenden Sonne genehmigen wir uns genüsslich ein kühles Bierchen resp. ein kühles Gläschen Weissen. Es  brutzelt und riecht fein vom Feuer. Nach dem Essen sitzen wir noch lange im Scheine der Kerze am Tisch und horchen in die Nacht hinaus. Es ist nichts zu hören. Nichts. Einfach nichts! Nur ab und zu bellt ganz weit weg ein Hund.

In der Nähe des Flusses steht eine ehemalige Sägerei. Wir sind erstaunt über dir grossen, teilweise gut erhaltenen Maschinen. Wir fragen uns, warum man wohl das Sägewerk stillgelegt hat?

Die Piste durch die Schlucht nach Anergui ist atemberaubend schön - und schön schmal. Links der Abgrund elend tief, rechts die Felswand steil und schroff. Aber es bleibt nicht den ganzen Weg so. Zu Fuss stellen wir fest, dass das Strässchen schon bald wieder breiter wird und so wagen wir die Weiterfahrt. Wunderschöne Kakteen säumen den Weg, tief unter uns das brodelnde Wasser, hoch über uns saftig blauer Himmel. Keine Menschenseele weit und breit. Keine Ziege, kein Schafhirte, niemand. Nur das Rauschen des Bachs. Kurz vor Anergui kommen uns zwei einheimische Landrover entgegen. Sie erzählen, dass die Strasse abgerutscht und für Fahrzeuge nicht durchgehend befahrbar sei. Das Ganze also wieder zurück. Der abenteuerliche Abstecher hat sich trotzdem gelohnt.

Die Weiterfahrt führt uns auf schmalen Teersträsschen und Natur-Pistchen schlussendlich in die Dadesschlucht. Doch zuvor passieren wir diverse kleine, abgelegene Dörfer, wo es angeblich (gemäss Auskunft von Einheimischen) nicht mehr weiter gehen soll. Doch wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Ein spannendes Erdpistchen windet sich die steile Flanke hoch und führt uns auf ein Hochplateau. Einzig zwei schmale Schotterpisten führen hier von West nach Ost. Da und dort entdecken wir Höhlenwohnungen. Sie sind aber nicht mehr bewohnt und dienen heute den Schafen und Ziegen als Unterschlupf. An namenlosen Dörfern vorbei  gelangen wir schlussendlich ins Tal der Rosen und von dort in die Dadesschlucht.  Heute haben wir übrigens den ganzen Nachmittag kein einziges Fahrzeug gesehen.

 

Dadesschlucht
Ein Muss für Marokko-Touristen. Doch auch hier gibt es Möglichkeiten, den Touristenmassen zu entfliehen. Durch verschiedene Seitentäler führen wunderschöne Schluchten, die zu Fuss erkundet werden können. Der Einstieg durch die prächtigen oasenartigen Gärten ist nicht immer einfach zu finden und oft müssen diverse Hindernisse überquert werden.  Wer aber die Mühen auf sich nimmt wird mit schönsten Naturgegebenheiten belohnt. Da in den tiefen Schluchten die Sonne meistens nur über die Mittagszeit den Boden berührt, ist es in der übrigen Zeit angenehm kühl. Faszinierend ist immer wieder das Spiel von Licht und Schatten mit den stets ändernden Farben und Formen an den Felswänden links und rechts. Mal ist die Schlucht schmal und dunkel, dann breit und hell, da und dort krallt sich ein Feigenbaum an die Felsen, mal hat es feinen Kies am Boden, dann wieder grosse Schroppen. Da und dort fliesst Wasser, mal oberirdisch, mal unterirdisch. An einigen Orten lagert Wasser in kleineren oder grösseren Felswannen. So eine Wanderung (1 bis 2 Stunden) tut dem vom langen Fahren gebeutelten Rücken gut und erquickt Geist und Seele.

Und bis am Abend wächst dann der Appetit auf eine frisch zubereitete Tajine mit herrlichem Gemüse aus der Umgebung. Den Wein dazu kaufen wir jeweils bereits in einer der grösseren Städte weiter im Norden ein. Feinen marokkanischen Rotwein. Genau das richtige, um nach einem köstlichen Essen und gemütlichen Schwatz traumhaft schlafen zu können.

Den nächsten Morgen verbringen wir gemächlich: Waschen, lesen, plaudern, Tagebuch schreiben etc.  ist angesagt – träumen und nichts tun im kühlen Schatten.  Am Nachmittag machen wir uns aber wieder auf die Socken. Heute gehen wir zu Fuss flussabwärts. Unser Ziel ist es, einige frische Eier zu kaufen und dann die Ruinen eines alten, halb zerfallenen Ksars auf der anderen Flussseite zu erkunden. Nach 2 ½ Stunden kommen wir verschwitzt zurück und freuen uns auf eine erfrischende Dusche. Und weil es gestern so gut war, gibt’s heute zum Znacht nochmals eine Tajine.

Die Berberfamilie, bei welcher wir uns für zwei Tage eingenistet haben, ist überaus gastfreundlich. Die fleissige Frau hält Haus und Hof sauber, während ihr Mann versucht den hier durchfahrenden (Pauschal-) Touristen einige Souveniers aufzuschwatzen. Dann wieder bringt oder holt er eines der drei Kinder von der Schule ab. Wir können etwas Anteil nehmen an ihrem einfachen aber geordneten Leben und bewundern wie familiär es zu und her geht. Am Schluss fällt uns der Abschied schwer.

In Boumalne de Dades erledigen wir die notwendigen Einkäufe für die nächsten Tage. Es ist Morgen, die Gehsteige frisch heruntergespült und der Dreck so richtig aufgeweicht. Er riecht nicht sehr frisch – im Gegenteil. Darum fahren wir weiter und genehmigen uns erst später an einer Tankstelle einen überzuckerten Tee. Dann tauchen sie auf: Ca. 40 grosse Wohnmobile (alle über 3,5 t). Sie wollen tanken und veranstalten ein riesiges Chaos. Es ist ein Konvoi ohne Ende. So etwas haben wir noch nie gesehen. Also ab auf die Piste und hinein in die Berge. Gesagt, getan und schon sind wir wieder alleine. Friedlich schnurrt der Motor unseres Iveco und 400 Nm drücken uns den Berg hoch. Bald sind wir über 2000 m hoch. Es macht Spass. Ein herrlicher Tag mit stahlblauem Himmel. Die anfänglich breite Piste wird bald enger und führt uns auf den Tizi-n-Ouli Ousir. Fahrzeuge sehen wir heute keine mehr. Mehr oder weniger sind wir auf uns alleine gestellt. Da und dort hat es vereinzelte Häuser. Scheue Menschen grüssen uns freundlich, Kinder gehen zur Schule. Kilometerweit zu Fuss über Stock und Stein.

 

Gastfreundschaft
In Mecissi dürfen wir die Liebenswürdigkeit des Besitzers der Auberge  Camping Azurite erleben. Während 2 Stunden versucht er in aller Seelenruhe ein Mail aus der Schweiz hereinzuholen und den dringend benötigten Anhang für uns auszudrucken. Die Langeweile versüsst er uns mit fein duftendem Kaffee. Und als es dann endlich klappt, will er nicht einmal etwas dafür. (Was wir natürlich nicht durchgehen lassen können).

Eine Uebernachtung  bei ihm auf dem Camping kostet übrigens pro Fahrzeug inkl. 2 Personen lediglich 40 MAD – inkl. heisser Dusche. Diesen Platz – es ist der, welcher etwas abseits der Strasse liegt - können wir gut weiterempfehlen. Der Chef spricht übrigens gut Deutsch.

 

Die Wüste (endlich)

Erg Chebbi
Nun sind wir also endlich in Merzouga.Das Thermometer zeigt 42 ° Celsius. Genüsslich sitzen wir mit einem grossen Smile im Gesicht am Rande der Dünen im Schatten der Dattelpalmen. 10 Schritte vor uns der Swimming-Pool. Wir haben soeben unseren morgendlichen Schwumm beendet. Nun lassen wir die Haare trocknen. Herrlich. 2 Tage sind wir nun schon hier auf der Rückseite eines einfachen Hotels. Drinnen wird umgebaut, weshalb kaum Leute da sind. Die WC-Anlagen, Duschen und auch den Pool haben wir also für uns alleine. Doch heute wollen wir weiter. Wir wollen auf der Rückseite des Ergs in die Dünen fahren - von Merzouga bis nach Erfoud.

Beim Mittagessen – natürlich im Schatten unter einer Palme – nähert sich uns ein Kamelhirte. Er geht etwas schief und hält seine rechte Hand vorgestreckt. Ich erhebe mich und bereite mich auf die Begrüssung vor. Doch der Mann hat nichts Böses im Sinn. Wie sich herausstellt, wurde er vor 2 Stunden von einem gelben Skorpion gestochen. Er will Medikamente haben (Aspirin). Zum Arzt will er nicht. Wir helfen ihm so gut wir können. Dann verschwindet er wieder in den Dünen, wo seine Freunde mit den Kamelen unterwegs sind. Lieber wäre uns gewesen, wenn er sich zum Arzt hätte fahren lassen.

Wir fahren weiter durch die Dünen in Richtung Norden. Mal etwas höher rauf, dann wieder mehr an den Rand hin. Es macht Spass. Die schwierigen Passagen müssen wir zu Fuss erkunden. Barfuss gehen liegt nicht drin, denn viel zu heiss ist der Sand. Die Sonne brennt erbarmungslos auf uns nieder. Jetzt nur nicht schaufeln müssen, heisst unsere Devise. Unsere Gedanken kreisen um den herrlichen Swimmingpool. Oh, wie gut wäre jetzt eine Abkühlung! Die Sache ist schnell geklärt. Wir ändern unsere Fahrtrichtung und fahren westwärts durch die Dünen nach Merzouga zurück zu „unserem“ Hotel, wo wir herzlich empfangen werden. Zwei Minuten später sind wir im Pool. Uebrigens der sauberste Pool in der Umgebung, wie unsere Recherchen ergeben haben. Wir stellen das Fahrzeug so hin, dass der sanfte Wind durch das schief gestellte Aufstelldach in die Wohnkabine hineingedrückt wird. Dann heisst wieder: Nachtessen unter Palmen, ein Gläschen geniessen, Sternen bewundern, Satelliten zählen, den Mond bestaunen, traumhaft schlafen. Was willst du mehr?

 

Die Minen von Mfis
Es ist uns eindeutig zu heiss um zu den Minen hinauszufahren. Stattdessen geniessen wir den Pool und den Schatten der Dattelpalmen. Es lässt sich gut leben hier und wir verstehen, dass auch die Leute hier die Sache (noch) etwas gemächlicher Angehen als sonst.

 

Weite Flächen, Sand und Dünen
Wir verlassen die Teerstrasse. Sofort wird es sandig. Es stehen gut 300 km Pisten, Sand und Dünen vor uns. Aber auch Sonne, Palmen, Abgeschiedenheit, Ruhe, Spannung, Freude, Lust… Die ersten 100 km sind Neuland für uns. Eigentlich bewegen wir uns in einem riesig breiten Tal. Da und dort liegen verstreut einige Häuser, weit am Horizont schwarze Berge. Ein warmer Wind kommt uns aus Richtung Süd entgegen. Die Luft flimmert. 2 LKW’s scheinen über die Ebene zu schweben. Dann ein kleines Dorf. Keine Menschenseele ist zu sehen. Es ist heiss. Die Gärten sind trocken. Alles voller Sand. Offenbar haben die gegen die Versandung erstellten Barrikaden aus Palmwedeln nicht das gewünschte Ziel erbracht. Wir fahren weiter in die flimmernde Ebene hinaus. Sand, Reg und Pisten wechseln sich ab. Im kühlen Schatten einer grossen Akazie machen wir Mittagspause. In der Umgebung weiden einige Kamele. Als wir gemütlich am Essen sind, tauchen in der Ferne einige Gestalten auf. Sie rennen auf uns zu. Es sind vier Schulkinder. Drei Buben und ein Mädchen. 5 Meter vor uns stellen sie sich auf und schauen uns beim Essen zu. Ich zücke den Fotoapparat. Sie bleiben stehen. Später setzen sie sich in den Sand. Ohne Anstalten zu machen lassen sie sich fotografieren. Da sie nur wenig französisch sprechen, ist die Verständigung leider sehr schwierig. Sie verhalten sich absolut anständig und ruhig. Als sie nach Essen und Trinken fragen, geben wir ihnen Mandarinen, Brot und Wasser. Sie bedanken sich. Als wir weiterfahren, winken sie uns hinterher.

Den Bergen vorgelagert ist eine 15 km lange Dünenkette. Wir fahren hin. Hier hat es viele schöne Plätze wo man ungestört die Nacht verbringen kann. Die Nacht ist klar und angenehm. Die Sterne leuchten hell am tiefblauen Himmel. Zeit zum Träumen.

 

Die Oase aller Oasen
Klar, die schönsten Nachtplätze befinden sich abseits der Ortschaften und Pisten. Und davon machen wir wenn immer möglich Gebrauch. Aber es gibt auch Ausnahmen. Einer der schönsten bewohnten Orte im Süden ist sicher Mh. Es liegt umgeben von Dattelpalmen in einem Durchstieg zwischen zwei Bergketten. Die grosszügige Auberge bietet feines Essen, grosse Zimmer mit grosszügigen Nasszellen, viel Schatten, kühle Getränke… Eine Oase der Ruhe. Hier kann man sich erholen. In die Umgebung sind diverse Ausflüge möglich, so dass keine Langeweile aufkommt.

Nach einer kurzen Wanderung über grosse Felsplatten an der Bergflanke, genehmigen wir uns einen Apéro (Bier und Weisswein) Für’s Nachtessen haben wir eine Tajine bestellt, um 1900 Uhr ist Essen. Danach sitzen wir noch eine Weile unter den Palmen und erfreuen uns am wunderschönen tiefblauen Nachthimmel mit unzähligen flimmernden Sternen. Weit im Norden hat es einige Wolken. Bald fallen uns die Augen zu. Schnarch, schnarch, schnarch…

 

Erg Chegagga
Westlich von Mhamid befindet sich der Erg Chegagga. Es ist das grösste zusammenhängende Dünengebiet Marokkos – und auch das schönste. Verschiedene Anfahrtswege führen in die mächtigen Dünen hinein, welche je nach Beleuchtung mal goldgelb, über braun bis schwarz erstrahlen. Am Nordrand befinden sich diverse Aubergen und Wüstencamps. Ruhe und Abgeschiedenheit finden wir aber etwas weiter südlich. Interessant ist die grosse Sterndüne fast im Zentrum der weit verstreuten Sandhügel. Sie bietet knifflige Aufstiege und spektakuläre Abfahrten. Der Weg in Richtung Lac Iriqui führt auf einem sandigen Pistchen zwischen friedlich weidenden Kamelen hindurch bis auf die weisse Fläche des ausgetrockneten Sees Lac Iriqui hinaus

Doch es gibt noch viele weitere Wüstenlandschaften, die es sich anzuschauen lohnt, auch wenn diese nicht so riesig gross sind. Denn auch die Wüste ist in Marokko äusserst abwechslungsreich. Endlose Wadis, staubige Pisten, weite akazienbestandene Flächen, Regebenen, Steinpisten, sandige Passagen und kleinere Dünengebiete wechseln sich ständig ab. Schnell wird man süchtig auf die schöne und sich ständig verändernde und neue Landschaft. Das ist es auch, was Marokko so einzigartig macht, weil alles so nahe beieinander ist und sich dauernd etwas ändert. Es wird daher niemals eintönig oder langweilig.  

Wo es Dünen hat, machen wir natürlich Gebrauch davon, weshalb wir nur langsam vorankommen. Aber deshalb sind wir ja hier, um die Landschaft, die Weite, die Stille, die Abgeschiedenheit zu geniessen. Aber auch das Fahren. Es ist anspruchsvoll und spannend. Es macht Freude.

 

Erg Znigue
Aus der schwarzen Reg-Ebene heraus leuchtet schon von weither der gold-gelbe Sand des Erg Znigue. Sanft beginnt der Einstieg auf der Ostseite und im Westen sind die dicht hintereinander folgenden, hohen und steilen Dünen kaum mehr befahrbar. Man muss sich das Durchkommen mühsam erkämpfen. Aber besser nicht bei 40° Celsius am Schatten – denn Schatten gibt es in diesem Erg nicht. Wir begnügen uns also für einmal mit den Randgebieten und fahren nur gerade wo weit hinein, wie es Spass macht. Und da sich die Sonne dem Horizont nähert, müssen wir uns einen schönen Platz für die Nacht suchen.

 

 

Der Weg nach Anergui ist lang
Dies gilt allerdings nur für die von uns gewählte Route. Wir starten in Goulmima.

Die neue und gute (von den Amerikanern finanzierte) Teerstrasse führt durch eine mehr oder weniger verlassene Gegend. Sie windet sich dem Flusslauf des Oued Rheris folgend durch tief eingeschnittene Felswände nordwärts. Verkehr hat es auf dieser Strecke keinen und wir fragen uns, weshalb die Strasse überhaupt so gut ausgebaut worden ist. Klar, für die einzelnen Dörfer ist diese Teerstrasse ein Segen und bedeutet Anschluss an die übrige Welt.

Ab und zu wird es in den Dorfdurchfahrten etwas eng. Alles ist gepflegt und scheint in gutem Zustand zu sein. Wo sich das Tal weitet, wird fleissig Ackerbau betrieben. Zur Zeit wird der Mais getrocknet. Als Unterlage dazu eignet sich eigentlich dalles: sei es ein Dach, ein Vorplatz, eine Felsplatte, die Teer-Strasse…

Bei Assoul biegen wir ab in Richtung Tizi Tagountsa. Da gerade Hammelfest ist, werden wir immer wieder zum Verweilen und zum Essen eingeladen.  Wir müssen leider ablehnen. In unzähligen Kurven schrauben wir uns endlos bergauf. Links und rechts des kleinen Pistchens wächst wilder Rosmarin zu Hauf. In Tana springen uns die Kinder nach und schreien: Stilo, Stilo…

Dann folgt ein langgezogenes Hochtal. Auch hier auf 1900 Metern leben vereinzelt Menschen in kleinen, einfachen Behausungen. Sie grüssen von weitem und winken uns zu.

Der Pass (2252 müM) selber ist unspektakulär. Etwas abseits präsentiert sich aber eine gigantische Aussicht von einer senkrecht abfallenden Felsplattform aus. Leider kommen auf den Fotos die Grössenverhältnisse nicht zur Geltung

Dann folgt die spannende Abfahrt auf der Nordseite mit atemberaubender Aussicht. Und die Ueberraschung folgt etwas weiter unten, wo die Piste plötzlich in gleicher Richtung unter der oberen Piste hervorkommt. Ein Kehrtunnel ist des Rätsels Lösung. Erbaut von April bis Juni 1933 vom Marokkanischen Militär: Genie Militaire avril-juini 193., Route du Tagountsa – Les Troupes du Maroc. Mit vielen Kehren führt die Naturstrasse tief hinab.

Heute übernachten wir in einem kiesigen, aber trockenen Seitental des Oued Ziz mit steilen Felswänden. Ein abgelegenes und ruhiges Plätzchen. Regen ist nicht in Sicht und so können wir, nach einem kurzen Besuch eines noch kurz vor Sonnenuntergang mit seiner riesigen Schafherde heimkehrenden Hirten, seelenruhig schlafen.

Die Fahrt bis Imilchil ist angenehm und führt durch eine wunderschöne Gebirgsgegend. Gemütlich gondeln wir dahin. Ausser einigen Velofahrern und Eselreitern hat es keinen Verkehr.

In der Umgebung von Imilchil weitet sich das Tal, entlang des Flusses grünt und blüht es, die Leute sind auf dem Felde beschäftigt. Ja, wir sind erstaunt, alle haben etwas zu tun, sind fleissig.

Wir schlendern durch das auf 2150 müM  gelegene Städtchen mit dem besonderen Ambiente und erledigen die notwendigen Einkäufe – immer in Begleitung des überaus geschäftstüchtigen Besitzers der Auberge Atlas. Darum verlassen wir Imilchil  ohne Kaffee-Pause. Den Kaffee trinken wir an der Tankstelle, wo er ausgezeichnet schmeckt. Zudem läuft dort immer etwas und rasch kommen wir ins Gespräch mit einigen netten Leuten.

Am Lac Tislit machen wir Mittagsrast. Wir sind alleine da. Obwohl wir uns auf 2250 müM befinden ist es heiss. Das Essen geniessen wir deshalb unter dem Sonnenschirm. Sowas nennt sich Ferien.

Auf abgelegenen Strässchen, teilweise Piste, fahren wir bergauf und bergab, über Pässe und Matten, durch Täler und Hochebenen, bis wir weit unter uns Anergui erblicken. Die Strasse windet sich steil bergab. Das Dörfchen entpuppt sich leider nicht als das Gelbe vom Ei und es ist schwierig einen schönen Platz zum campen zu finden, wo man unbeobachtet bleibt. Wir übernachten deshalb in einer ganz netten Gite d’Etape im hintersten Winkel des Tales. Man staune, es gibt hier Bier und Wein. Ein idyllisches Oertchen, aber man muss Tiere einfach mögen. Die Hühner gackern und kackern um unser Auto herum. Aber die Toiletten sind wenigstens sauber.

Für die Fahrt nach El Had nehmen wir eine spannende Abkürzung, welche uns auf einem Pistchen entlang des Flusses und durch lichte Steineichenwäldchen führte. Es ist schon erstaunlich, wo die Menschen überall leben können, wollen, müssen...

 

 

Hotels, Aubergen, Campingplätze
Auf unserer Tour haben wir viele neue schöne Landschaften, interessante  Wege und Pisten erkundet. Wir haben diverse Campingplätze angeschaut oder teilweise gar dort übernachtet. Sehr empfehlen können wir den Camping Zebra in Ouzoud. Der Platz ist total schön angelegt und bestens unterhalten. Die Toiletten sind grosszügig und geschmackvoll ausgestattet. Zum Essen stehen verschiedene Tajine-Gerichte zur Auswahl, die alle köstlich munden. Sehenswert sind auch die Wasserfälle – es sollen die grössten in Marokko sein. Und trotzdem haben wir sie uns nicht so gross und schön vorstellen können. Empfehlenswert.

Eine überdurchschnittlich schöne und stilvoll ausgestattete Uebernachtungsmöglichkeit bietet die Kasbah Ouzoud, ein Hotel mit Zimmern, Bungalows, Restaurant und Piscine. Es befindet sich direkt neben dem Camping Zebra.

 

 

 

Foggaras
Etwas ausserhalb des Dorfes Achouria befinden sich Foggaras, welche im 11. Jahrhundert von Sklaven ausgehoben worden sind. Gut sichtbar sind die Schächte, welche zur Wartung und bei der Aushebung der unterirdischen Wasserkanäle notwendig gewesen waren. Ein Führer begleitet uns freudig in den Untergrund und erklärt uns die Entstehung und Bedeutung dieses 25 km langen Bewässerungssystems. Heute sind die Foggaras nicht mehr in Betrieb.

 

 

Atlantikküste
Der wilde Atlantik übt eine spezielle Anziehungskraft auf uns aus. Baden ist möglich, es ist jedoch Vorsicht geboten, da der Sog, vor allem beim Abflauen der Flut doch recht beachtlich ist und man doch eine gewisse Ausdauer benötigt um wieder  an Land zu schwimmen.

Auch wenn wir diesmal nicht in den weissen Dünen rumgekurft sind und nicht die 25 km lange Strecke der Wasserlinie entlang fahren konnten, so haben wir doch da und dort einen Zwischenhalt am Meer eingeschaltet und die wilde Rauheit des Atlantiks bei relativ starken Winden und einer verregneten Nacht genossen.

Uebrigens auch die erste Nacht in Frankreich war verregnet. Dazwischen hatten wir immer schönes, warmes, sommerliches (im Oktober) Wetter. So richtig zum Urlaub machen.

 

 

Fazit
Es war eine überaus spannende und trotzdem sehr erholsame Tour. Wir haben viel Neues entdeckt und erlebt. Die schönsten Strecken und Orte werden wir in unsere zukünftigen Touren integrieren. Es wird also noch schöner, spannender, kniffliger, abenteuerlicher, abwechslungsreicher, eindrücklicher...

 

Euer sahara-team

 

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